Forschung Jahrhundertealten Irrtum aufgeklärt: Skelett des „Schinderhannes“ jetzt eindeutig zugeordnet
16. April 2025
DNA-Analyse liefert auch neue Hinweise auf das Aussehen des legendären Räubers
Braune Augen, dunkle Haare und ein eher blasser Hautton: So könnte der legendäre Räuber Johannes Bückler, besser bekannt als „Schinderhannes“, ausgesehen haben. Darauf weisen neue Untersuchungen hin, die ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlern aus Heidelberg und Innsbruck (Österreich) durchgeführt hat. Dank des DNA-Abgleichs mit einem lebenden Nachfahren konnte das Skelett zudem eindeutig identifiziert werden. Es war nach der Hinrichtung Bücklers im Jahr 1803 in die Anatomische Sammlung an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg gelangt und dort später mit den Gebeinen eines anderen Hingerichteten verwechselt worden. Mit der eindeutigen Zuordnung ist es den Forscherinnen und Forschern gelungen, einen jahrhundertealten Irrtum aufzuklären.
Seit 220 Jahren befinden sich zwei menschliche Skelette in der Heidelberger Anatomischen Sammlung, die bislang als „Schinderhannes“ und „Schwarzer Jonas“ – ein weiterer Räuber – ausgewiesen wurden. Die beiden Männer, mit bürgerlichem Namen Johannes Bückler und Christian Reinhard, waren 1803 in Mainz hingerichtet worden. In die Sammlung gelangten ihre Gebeine im Jahr 1805 mit dem ersten Inhaber des Lehrstuhls für Anatomie und Physiologie, Jacob Fidelis Ackermann. Unter seinem Nachfolger wurden die Sammlungsnummern der Knochenmontagen offenbar verwechselt, sodass die beiden Skelette in der Folge falsch zugeordnet wurden. Das internationale Forschungsteam unter Leitung von Dr. Sara Doll (Heidelberg) und Prof. Dr. Walther Parson (Innsbruck) konnte nun belegen, dass das vermeintliche Skelett des „Schwarzen Jonas“ tatsächlich das des „Schinderhannes“ ist, während seine vermeintlichen Gebeine nicht die des „Schwarzen Jonas“ sein können – sein Skelett muss im Laufe der Zeit verloren gegangen sein.
Die Identität der beiden Skelette konnten die Wissenschaftler mithilfe unterschiedlicher Untersuchungsmethoden eingrenzen. Hinweise darauf, wo die beiden Männer ihre Kindheit und späteren Lebensjahre verbracht haben könnten, lieferte die Isotopenanalyse der Knochen. Für den „Schinderhannes“ deuten die Ergebnisse auf den Hunsrück hin, wo Johannes Bückler zu Lebzeiten mit seiner Bande aktiv war. Weitere anthropologische Untersuchungen, darunter auch chemische Analysen, sowie radiologische Bildgebungsverfahren lieferten zusätzliche Informationen zu Alter, Geschlecht und möglichen Erkrankungen. „All diese Ergebnisse gekoppelt mit einer sorgfältigen Analyse historischer Dokumente deuteten auf eine mögliche Verwechslung der beiden Skelette hin“, erklärt Dr. Doll, die Kuratorin der Anatomischen Sammlung ist.
Diese Vermutung weiter untermauern konnten die Forscherinnen und Forscher um Sara Doll und Walter Parson mit der Analyse der sogenannten mitochondrialen DNA. Diese Erbinformation wird nur über die mütterliche Linie an Nachkommen weitergegeben und eignet sich zur Bestimmung von Abstammungsverhältnissen. Ein noch lebender Nachkomme des „Schinderhannes“ in fünfter Generation erklärte sich bereit, seine DNA für die Untersuchungen zur Verfügung zu stellen. Den endgültigen Beweis lieferte der Abgleich mit der Erbinformation, die aus den Zellkernen der Knochen gewonnen wurde: Die molekulargenetischen Untersuchungen anhand von fast 5.000 Markern bestätigen nach Angaben der Wissenschaftler eindeutig das über fünf Generationen bestehende Verwandtschaftsverhältnis – und damit auch die Annahme, dass die beiden Skelette in der Vergangenheit nicht richtig zugeordnet waren.
Die Untersuchungen brachten zudem Aufschluss über Johannes Bücklers Augen-, Haar- und Hautfarbe. „Die Daten deuten darauf hin, dass ,Schinderhannes‘ braune Augen, dunkle Haare und einen eher blassen Hautton hatte“, erläutert Prof. Parson, Leiter des Forschungsbereichs „Forensische Molekularbiologie“ am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck. Die wenigen zeitgenössischen Beschreibungen sind hier widersprüchlich und die erhaltenen Darstellungen sind zumeist auch nach Bücklers Hinrichtung entstanden. Die genetische Rekonstruktion dieser Merkmale kann daher dazu beitragen, diese Widersprüche zum Aussehen des Räubers für künftige Arbeiten zu klären.
Weiterhin ungewiss ist, zu wem das vermeintliche Skelett des „Schwarzen Jonas“ in der Anatomischen Sammlung gehört. Denn auch das haben die Forschungsarbeiten gezeigt: Diese Gebeine lassen sich weder Johannes Bückler noch Christian Reinhard zuordnen. Es muss sich also um eine dritte Person handeln. Wo wiederum das tatsächliche Skelett des „Schwarzen Jonas“ geblieben ist, bleibt ebenfalls unklar. Möglicherweise wurde es im Glauben, es handle sich um die Gebeine von Johannes Bückler, entwendet oder ausgeborgt und nie zurückgegeben. „Ironischerweise könnte diese Verwechslung letztendlich dazu geführt haben, dass wir heute noch im Besitz des echten Skeletts von ,Schinderhannes‘ sind“, sagt Dr. Doll. „Es bleibt also spannend.“
An den Forschungsarbeiten beteiligt waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Schweden, Portugal und den USA. Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Forensic Science International: Genetics“ veröffentlicht.
Originalpublikation
W. Parson, A. Alterauge, C. Amory, S. Heinze, S. Hölzl, R. G. Jahn, C. Lehn, T. Sänger, C. Xavier, A. Tillmar, K. Nolte, S. Lutz-Bonengel, S. Doll: Remains of the German outlaw Johannes Bückler alias Schinderhannes identified by an interdisciplinary approach. Forensic Science International: Genetics (available online 22 March 2025)